Training für den Chef

Chef wird man über Nacht, das Chef-Sein muss man jedoch trainieren. Bei der Übernahme einer neuen Führungsrolle ist die Gefahr zu scheitern groß. Um das zu verhindern, gibt es das speziell auf diese Situation zugeschnittene Transition-Coaching.

“Endlich haben wir einen Chef, der weiß was er will”, so beschreibt Elmar Rinck,  Leiter für Prozessberatung und Training im Global Logistics Center (CLC) Germersheim der Daimler AG, die Reaktionen der Mitarbeiter, wenn ihr neuer Vorgesetzter am Transition-Coaching teilgenommen hat. Seit fünf Jahren wird den Daimler-Führungskräften in Germersheim, die eine neue Führungsrolle übernehmen, das sechs Monate dauernde Training  angeboten.

Herausforderung Personalverantwortung

Die Teamleiter selbst hatten angeregt, dass sie bei der Übernahme einer neuen Führungsaufgabe ein spezielles Coaching durchlaufen, berichtet Rinck. Nicht ohne Grund. Denn
Personalverantwortung ist aufgrund der vielfältigen Anforderungen eine echte Herausforderung. Nicht selten auch deshalb, weil die frisch gebackenen Führungskräfte die Prozesse innerhalb ihrer Abteilung neu organisieren müssen.

So ergab eine Befragung unter Führungskräften, dass in nur etwas mehr als einem Viertel aller Fälle eine neue Führungsaufgabe übernommen wird, um einen gesunden Geschäftsbereich zu stabilisieren oder den bereits erreichten Erfolg zu sichern. Drei Viertel der Anlässe für einen Wechsel sind dagegen durch Reorganisation, Turnaround, Sanierung und Neugründung gekennzeichnet. Das erfordert Fingerspitzengefühl in Sachen Personalführung: Denn nicht jeder Mitarbeiter ist bereit, sich parallel zum neuen Chef auch auf neue Abläufe einzustellen.

Gegenseitiges Verständnis wecken

Hier setzt das Transition Coaching an. Ziel ist es, Team und Teamleiter Schritt für Schritt zusammenzuführen und das Verständnis für die jeweils andere Seite zu wecken. “Viele der vermeintlich persönlichen Probleme werden dabei mit gelöst”, sagt Franz Metz, Geschäftsführer der Beratergruppe Palatina GmbH in Rülzheim. Metz, der selbst bei Daimler gearbeitet hat, hat zusammen mit Elmar Rinck das Konzept des Transition-Coachings entwickelt.

“Viele Führungskräfte fassen Akzeptanzprobleme im Team und im Umfeld oder Arbeitsüberlastung als ihre persönlichen Probleme auf”, berichtet Metz. Ein Denkfehler. Denn diese Aspekte gehören zum täglichen Geschäft einer Führungskraft. Wer diese nicht von der eigenen Person trennen kann, ist zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Wunden zu lecken anstatt sich Gedanken über Lösungsstrategien zu machen.

Auseinandersetzung mit dem Team

Diese stehen im Transition Coaching im Mittelpunkt. “Viele sind am Anfang nur mit sich selbst beschäftigt”, sagt Rinck. Teil des Transition-Coachings sei es daher, die neue Führungskraft zu unterstützen, Gespräche mit dem Vorgesetzten über dessen Ziele, über die Kernleistungen und -prozesse des Geschäftsfeldes und die zur Verfügung stehenden Ressourcen zu führen.

Auch die Auseinandersetzung mit dem Team ist Bestandteil des Transition-Coachings. Im Global Logistics Center von Daimler wird dafür ein ganzer Tag veranschlagt. Das Team wirft an diesem Tag einen Blick zurück und kann dabei sogar explizit bedauern, was unter dem Neuen anders geworden ist. Daneben analysieren die Mitarbeiter, in welcher Phase des Teambildungsprozesses sie aktuell stehen und wie sie sich die Zukunft in ihrem Verantwortungsbereich vorstellen.

Der Businessplan

Am Ende des Tages stellt die neue Führungskraft einen von ihr bis dahin erarbeiteten Businessplan vor. Dabei geht es vor allem um die zukünftige Geschäftsstrategie, aber auch um Normen und Werte und Miteinander zwischen Team und Vorgesetzten. “Die Führungskraft sollte auch auf die vielfältigen Erwartungen eingehen und klar stellen, welche erfüllbar sind und welche nicht”, erklärt Rinck.

Der Businessplan ist der Dreh- und Angelpunkt im Transition-Coaching. “Er sorgt bei der Führungskraft für Klarheit”, sagt Metz. In Rahmen der Erstellung des Businessplans werden in einer ersten Phase die Stärken und Schwächen des Geschäftsfeldes und des Teams sowie erfolgskritische Leistungen, Prozesse und Ressourcen analysiert.

Persönliche Themen ansprechen

Im zweiten Schritt steckt die Führungskraft ihre eigene, neue Geschäftsfeldstrategie ab. “Hier muss sie zeigen, was sie drauf hat”, sagt Metz. Im dritten Teil des Businessplans werden schließlich die umzusetzenden Maßnahmen und Projekte übersichtlich dargestellt und zeitlich geordnet.

Im Transition-Coaching geht es trotz der Fokussierung auf Businessthemen aber auch um die Person der neuen Führungskraft. Für persönliche Themen werden nach Metz in der Regel die Hälfte der acht Coaching-Sitzungen benötigt, die jeweils drei bis vier Stunden dauern. “Die persönlichen Themen sind ganz wichtig”, sagt Rinck zur Umsetzung des Konzepts bei Daimler.

Weniger ist oft mehr

So gelte es möglichst früh etwa Dilemma-Situationen zu klären und zu lösen. “Führungskräfte, die neu auf einer Position sind, neigen dazu, zu viele Themen in ihren Rucksack zu packen”, sagt Rinck. Daneben würden neue Führungskräfte oft die Risiken der Aufgabe unterschätzen.

Bestandteil des Transition-Coachings ist daher noch vor der Erstellung des Businessplans die Risiko-Analyse. Dabei wird unter anderem der Frage nachgegangen, welche Chancen (etwa ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit) und Risiken (beispielsweise ein hochpolitischer Kontext) die neue Aufgabe beinhaltet und welche Stärken (etwaTatkraft) und Schwächen (z.B.: keine politische Erfahrung) die Person mitbringt.

Das Potenzial zu Scheitern

Eine solche Analyse ergibt nicht selten, dass das “Scheiterpotenzial” in der neuen Rolle groß ist. Um ein Scheitern zu verhindern, sollten daher aus der Analyse flankierende Maßnahmen abgeleitet werden. Fehlt einer Führungskraft zum Beispiel die organisationspolitische Erfahrung, kann ihr ein Mentor zur Seite gestellt werden. Und ist das Maß der Gestaltungsfreiheit groß, sollte Wert auf eine möglichst konkrete Definition und Abgrenzung des Arbeitsgebiets gelegt werden.

(Rainer Spies / Bild: Pressmaster, Fotolia.com)