Mentoring für den Führungsnachwuchs
Ein strukturiertes Mentoring-Programm unterstützt Nachwuchstalente ganz praktisch und zielgerichtet in ihrer Entwicklung. Mentor und Mentee profitieren davon.
Von Michael Vogel
Wenn Frank Edelkraut über Mentoring spricht, dann macht er schon mal Anleihen bei “Star Wars”. Denn Meister Yoda besitze Fähigkeiten, die einen guten Mentor ausmachten, so der geschäftsführende Gesellschafter der Mentus GmbH: “Yoda achtet bei Luke Skywalker auf die umfassende Persönlichkeits- (‘Geduld du musst haben, mein junger Padawan’) und Kompetenzentwicklung (‘konzentriere dich auf die Macht’). Er sorgt dafür, dass Luke seine eigenen Erfahrungen macht, diese reflektiert und neue Lösungswege sucht.” All diese Elemente, so Edelkraut, gehörten zu einem guten Mentoring dazu.
Das Prinzip des Mentoring
Die Idee gibt es schon lange, als Instrument der Personalentwicklung kam Mentoring aber erst in den siebziger Jahren in den Vereinigten Staaten auf. Seit dem Ende des vergangenen Jahrtausends befassen sich auch deutsche Unternehmen zunehmend mit dem Mentoring.
Das Prinzip ist dabei immer dasselbe: Ein berufs- und lebenserfahrener Manager, der Mentor, weist eine Nachwuchskraft, den Mentee, in die ungeschriebenen Gesetze und Spielregeln eines Unternehmens ein. “Diese Art zu lernen passt hervorragend zu den Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt”, sagt Edelkraut, dessen Firma im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht hat, die eine Standortbestimmung des Mentoring aus Sicht der Mentoren vornimmt.
Ein Mentoring-Verhältniss kann Jahre halten
In den meisten Mentoring-Programmen bilden Mentor und Mentee ein Tandem, das sich für eine gewisse Zeit regelmäßig trifft – losgelöst vom Tagesgeschäft. “Unsere Studie hat gezeigt, dass viele der Mentoring-Verhältnisse sogar länger als die durch die Personalabteilungen formal festgelegten Zeiträume halten”, sagt Edelkraut.
Zwei Jahre sei keine ungewöhnliche Dauer. Anscheinend profitieren viele Mentoren und Mentees also so stark von dieser Art der Personalentwicklung, dass sie freiwillig weitermachen.
Was gute Mentoring-Programme auszeichnet
Gute Mentoring-Programme zeichnet laut Hans-Georg Willmann, Psychologe und Inhaber der Personalberatung JobID, drei Dinge aus: Struktur, Freiwilligkeit und Zielsetzung. “Mit einem Mentoring-Programm soll das Potenzial eines Mitarbeiters möglichst schnell für das Unternehmen nutzbar werden”, so Willmann.
Die Personalabteilung sorge für den organisatorischen Rahmen, fungiere als Ansprechpartner für Mentees und Mentoren und informiere im Unternehmen über die Möglichkeiten des Mentoring. “Mentor und Mentee sollten sich dann auf einer freiwilligen Basis finden können und gemeinsam definieren, welches Ziel mit dieser Form der Personalentwicklung erreicht werden soll.”
So finden sich Mentor und Mentee
Die Unternehmen handhaben die Auswahl der Tandems durchaus unterschiedlich: Während sich bei den einen Mentee und Mentor selbstständig finden können, legen andere Personalabteilungen die Tandems vorab fest. Die Meinungen, was der bessere Weg ist, gehen auseinander. Frank Edelkraut vertritt die Ansicht, dass die Chemie zwischen Mentor und Mentee nicht hundertprozentig stimmen muss:
“Denn wie die beiden Persönlichkeiten zusammenpassen, macht zwar einen wichtigen Teil, aber eben nur einen Teil des Mentoring-Prozesses aus.” Im beruflichen Alltag gehe es doch darum, das Beste aus dem zu machen, was man vorfinde. “Schließlich kann man sich auch Kollegen und Chef nicht aussuchen”, gibt er zu bedenken.
Vorgesetzter als Mentor? Besser nicht
Viel wichtiger für ein erfolgreiches Tandem als eine hundertprozentige persönliche Sympathie ist in Edelkrauts Augen, dass der hierarchische Abstand stimmt: “Ein bis zwei Stufen sollte der Mentor über dem Mentee angesiedelt sein. Sonst sind die Erfahrungswelten zu unterschiedlich.”
Was für gewöhnlich gar nicht funktioniert, ist ein Vorgesetzter als Mentor: “Ein Vorgesetzter muss seinen Fokus auf die Ziele der Organisation legen, während ein Mentor sich auf die Person des Mentee konzentrieren sollte”, so Edelkraut. Da sei der Rollenkonflikt programmiert. Aus ähnlichen Gründen scheiden auch Kollegen, selbst altgediente, streng genommen als Mentoren aus: Sie sind potenziell Konkurrenten des Mentees und haben aufgrund ihrer Position im Unternehmen oft nicht die erforderlichen Informationen, um Dinge einschätzen zu können.
Auch der Mentor profitiert
Mentoring kostet Zeit, darüber müssen sich Mentor und Mentee im Klaren sein. Daher sollten Mentees sich wirklich entwickeln wollen, und Mentoren sollten etwas geben wollen. Gerade mit Blick auf das Networking profitieren beide Partner vom Mentoring – schließlich ist die Intention eines Mentee, tatsächlich Karriere zu machen. Mentoren wiederum können Mentoring-Gespräche dazu nutzen, ihre eigenen kommunikativen Fähigkeiten weiterzuentwickeln – ja womöglich sogar ihr Wissen zu erweitern, etwa wenn der Mentee von der Hochschule kommt und neue technische Methoden oder Verfahren kennt.
“Mentees sind für einen Mentor auch immer einen Chance, ungefiltert Informationen aus dem Unternehmen zu bekommen”, sagt Frank Edelkraut. “Für gewöhnlich bekommt eine Führungskraft ja nur noch Daten, die aufgrund von Eigeninteressen des Aufbereitenden oder Missverständnissen oft nicht mehr allzu viel mit der Unternehmensrealität zu tun haben.”
Unterstützung des Führungsnachwuches
Andererseits lieferten Mentoren, so Hans-Georg Willmann, ihren Mentees jenes informelle Firmenwissen, das so wichtig sei, um eigene Ideen richtig einschätzen und einbringen zu können. “Mentoren kennen die politischen Spielchen, die inoffiziellen Agenden verschiedener Führungskräfte sowie die Beziehungsgeflechte und Allianzen innerhalb eines Unternehmens – davon profitieren Mentees ganz konkret.”
Da die heutige Berufswelt viel komplexer sei als noch vor zehn, fünfzehn Jahren, helfe das Mentoring dem potenziellen Führungsnachwuchs schneller produktiv zu werden. Mentees fühlten sich dadurch wohler und verließen auch seltener das Unternehmen. “Ein unschätzbarer Vorteil”, findet Willmann, “schließlich investiert ein Arbeitgeber heutzutage ja einiges in seine Nachwuchskräfte.”