Mobile Recruiting: Jobsuche per Smartphone
Mobile Recruiting, also Rekrutierungslösungen via Smartphone oder Tablet PC gewinnen zunehmend an Bedeutung. Unternehmen sollten den Anschluss nicht verpassen.
Von Michael Vogel
500 Tablet-PCs sind im vergangenen Jahr in Deutschland pro Stunde verkauft worden. Mehr als jeder dritte Bundesbürger besaß bereits 2012 ein Smartphone, bei den unter 30-Jährigen sogar jeder zweite. Tendenz weiter steigend. Das sind Zahlen, die auch jede Personalabteilung aufhorchen lassen sollten. Nach Online-Stellenanzeigen, E-Recruitment und Social-Media-Recruiting scheint eine weitere Entwicklung unumkehrbar zu sein: Statt mit dem klassischen PC oder Notebook surfen immer mehr Menschen mit einem Tablet oder Smartphone im Internet – und greifen dabei auch auf Stellenanzeigen zu.
Mobile Recruitung: Kein Hype-Thema
„Das ist kein Hype-Thema“, sagt Stephan Böhm, Professor für Telekommunikation und Mobile Media an der Hochschule Rhein-Main. „Die Mediennutzung verschiebt sich zugunsten mobiler Endgeräte.“ Zusammen mit seinem Professoren-Kollegen Wolfgang Jäger untersucht Böhm seit mehreren Jahren das Mobile Recruiting, unter anderem mit einer jährlichen Unternehmensbefragung. Angesichts dieser Entwicklung – und dem vieldiskutierten schärfer werdenden Wettbewerb um die richtigen Bewerber – sollten „Unternehmen mit ihren Recruiting-Websites nicht durch schlechte mobile Usability unnötig Nutzer verlieren“, so Böhm.
Es geht nicht darum, dass künftig jemand am Smartphone seine Bewerbung schreiben wird, sondern zunächst um den bequemen Zugang zu Informationen. Schlecht sind dabei Seiten, die bei der Wiedergabe auf den kleineren Displays nicht mehr übersichtlich darzustellen sind oder bei denen es zu „Medienbrüchen“ kommt – etwa bei einem weiterleitenden Link auf eine Seite, die sich nur langsam oder unzureichend aufbaut. Der Kandidat springt dann womöglich ab, bevor er sich überhaupt genauer über die ausgeschriebene Stelle informiert hat. Chance vertan.
Mobile Recruiting: Deutlicher Aufwärtstrend
Die Bedeutung des Mobile Recruiting ist noch nicht in allen Köpfen angekommen. So gaben in der Studie „Recruiting Trends 2013“, die Monster.de gemeinsam mit den Universitäten in Frankfurt am Main und Bamberg durchgeführt hat, zwar 58 Prozent der Teilnehmer an, dass mobile Endgeräte einen großen Einfluss auf das Recruiting haben, was rund zehn Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor waren. Aber im Umkehrschluss hat sich bei 42 Prozent diese Erkenntnis noch nicht ausreichend durchgesetzt. Für die Studie wurden die 1000 größten Unternehmen in Deutschland sowie die 300 größten Unternehmen aus den Branchen Automobil, Finanzdienstleistungen und Informationstechnologie befragt.
Der Trend ist in Österreich ähnlich ausgeprägt, wie die gleichnamige Studie im Auftrag von Monster.at ergab: Etwa jedes zweite Unternehmen ist der Ansicht, dass die steigende Nutzung von Smartphones in der Bevölkerung auch einen Einfluss auf die Personalrekrutierung haben wird. 42,9 Prozent der Unternehmen denken, dass die Ansprache von Kandidaten über mobile Endgeräte für die Personalbeschaffung sinnvoll ist.
Die Grundprobleme lassen sich auch nicht nur an Meinungsbildern festmachen, wie eine Analyse zeigt, die die Agentur Atenta dieses Jahr vorgestellt hat: Über 90 Prozent der Dax-, TecDax-, MDax- und SDax-Unternehmen besaß im Dezember 2012 keine Karriere-Website, die für den mobilen Zugriff optimiert ist, so die Quintessenz der Hamburger Agentur für Recruiting, Employer Branding und Social-Media-Marketing. „In manchen Unternehmen ist gar nicht bekannt, dass inzwischen meist zehn bis 20 Prozent der Zugriffe auf die Karriere-Website mit Mobilgeräten erfolgt“, sagt Jan Kirchner, Partner und kaufmännischer Geschäftsführer von Atenta. „Dabei kann diese Erkenntnis jedes Unternehmen leicht aus der eigenen Zugriffsstatistik herauslesen.“
Vorsicht vor veralteten Technologien
Andererseits verwundere diese geringe Quote auch wiederum nicht, wenn man – wie in Atentas Untersuchung geschehen – feststellen müsse, dass selbst einige konventionelle Karriere-Websites großer Unternehmen nur mit bestimmten Browsern abrufbar seien, zum Beispiel weil die dahinterliegenden Bewerbermanagementsysteme nicht mit der Vielfalt heutiger Anforderungen an das Front-end Schritt gehalten haben. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“; so Kirchner, „genauso wenig wie Karriere-Websites in Flash-Technologie.“ Hintergrund: Apples Smartphones und Tablets unterstützen kein Flash, sie können solche Seiten also grundsätzlich nicht darstellen.
Obwohl das Thema Mobile Recruiting insgesamt technisch klingt, warnt Stephan Böhm davor, es als „rein technisches Thema“ aufzufassen: „Wenn ein Unternehmen zum Beispiel bei schwierig zu besetzenden Stellen mobile Bewerbungen über Links zu Social Media-Profilen zulässt, dann greift das notwendige Screening auch in etablierte Bewerbermanagementprozesse ein.“ Die Grundaufgabe beim Mobile Recruiting besteht für die Personalabteilungen jedoch darin, die vorhandene Karriere-Website ohne Einschränkungen mobilfähig zu machen. Alles was darüber hinausgeht, sollte dann genau überlegt werden. „Denn das Mobile Recruiting muss Teil eines Multi-Channel-Ansatzes sein“, so Böhm. „In der Post-PC-Ära gibt es keine Killeranwendung oder -plattform, vielmehr muss man alle Kanäle einschließlich Mobile fallbezogen optimieren, um ein bestimmtes Ziel im Personalmarketing zu erreichen.“
Es muss nicht gleich eine App sein…
Jan Kirchner nennt als Beispiel ein Event-Format, bei dem Online- und Offline-Elemente miteinander verknüpft werden. „Wenn ein Unternehmen mehrmals im Jahr Veranstaltungen für High-Potentials durchführt, kann zum Beispiel eine App ein gutes Mittel sein, um den Kontakt zu den Teilnehmern über die Veranstaltung hinaus zu halten“, so Kirchner. „Für ein Event im Jahr wäre eine App dagegen zu teuer.“ Überhaupt sind Karriere-Apps in Kirchners Augen nur für bestimmte Unternehmen sinnvoll – wenn sie eine hohe jährliche Recruiting-Quote und ständig viele Stellen im Angebot haben oder wenn sie eine sehr starke Arbeitgebermarke besitzen. Dann aber sollten Personalabteilungen bedenken, dass es im Jahr sechs nach dem iPhone-Debüt mehrere Plattformen gibt, für die die App verfügbar sein muss: Android ist inzwischen das am weitesten verbreitete Mobilbetriebssystem und auch Windows kann man nicht mehr einfach links liegen lassen. (Bild: Fotolia.com)