Kapitalbeteiligung: Eine Kultur der Offenheit

Nur wenige Unternehmen in Österreich beteiligen ihre Mitarbeiter am Unternehmenskapital. Die Firmen, die es tun, berichten von positiven Erfahrungen, beklagen aber zugleich die geringe steuerliche Förderung.

In Österreich sind zurzeit etwa 160.000 Mitarbeiter am Kapital ihres Unternehmens beteiligt, davon rund 100.000 an großen, meist börsennotierten Unternehmen sowie rund 60.000 an kleinen und mittleren (KMU). “Der Anteil der Mitarbeiter, die am Kapital beteiligt sind, hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen, weil viele Staatsbetriebe privatisiert wurden und die Beschäftigten dabei Belegschaftsaktien meist vergünstigt erwerben konnten”, sagt Heinz Leitsmüller, Experte für das Thema Mitarbeiterbeteiligung bei der Arbeiterkammer Wien.

Österreich liegt im europäischen Mittelfeld

Der Anteil aller Arbeitnehmer, die am Kapital ihres Unternehmens beteiligt sind, beträgt etwa sechs Prozent. Damit belegt Österreich innerhalb der EU einen Platz im Mittelfeld. “Die geringe steuerliche Förderung, fehlende Beratungsangebote und das teilweise sehr komplizierte Gesellschaftsrecht sind aus der Sicht der Unternehmen Hemmnisse beim Ausbau der Kapitalbeteiligung”, meint Alexander Rauner, Referent bei der Wirtschaftskammer in Wien.

Steuerliche Förderung ist restriktiv gestaltet

In Österreich werden Kapitalbeteiligungen bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 1460 Euro steuerlich gefördert und bleiben abgabenfrei, wenn der Arbeitgeber die Anteile dem Mitarbeiter schenkt oder sie diesem verbilligt überlässt. Der Arbeitnehmer muss die Anteile mindestens fünf Jahre halten. “Man könnte die Sperrfrist verkürzen, gleichwohl propagieren wir keinen Ausbau der steuerlichen Förderung oder des staatlichen Risikoschutzes”, sagt Leitsmüller. Bei einem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen von 1800 Euro brutto im Monat sei eine Anlage in Risikopapiere nicht generell zu empfehlen.

Mitarbeiter können sich über die Austria Wirtschaftsservice GmbH in Wien im Rahmen ihrer Kapitalbeteiligung an KMU zwar gegen das Risiko der Insolvenz durch ein Garantieentgelt schützen, dann entfällt aber die steuerliche Förderung. Daneben besteht die Möglichkeit, dass die Unternehmen selbst ihre Mitarbeiter für den Fall der Insolvenz absichern. “Inwieweit dann noch die steuerliche Förderung gewährt werden kann, muss individuell geprüft werden. Ein kompletter Ausschluss des Risikos schließt jedenfalls die steuerliche Förderung aus”, erklärt Leitsmüller.

Bisher keine Förderung für Fonds und Stiftungen

Verbreitet sind in Österreich vor allem die Kapitalbeteiligung auf der Basis von Aktien, die (echte) stille Gesellschaftsbeteiligung – vor allem in GmbHs – und Genussrechte. Die stille Gesellschaftsbeteiligung stellt allerdings – ebenso wie das “partiarische Darlehen” – eine Form der Fremdkapitalfinanzierung dar, die im Unterschied zur Eigenkapitalbeteiligung dann aus dem Kreis der förderfähigen Beteiligungsformen ausgeschlossen ist, wenn die Mitarbeiter nicht auch am Verlust beteiligt sind.

“Wir möchten, dass die steuerliche Förderung auch auf die Instrumente der Fremdkapitalbeteiligung ausgedehnt wird”, fordert Rauner. Auch die indirekte Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen – vor allem die an einer Personengesellschaft (OHG, KG) – sei derzeit wenig anreizfördernd ausgestaltet, zum Beispiel über Fonds oder Stiftungen. Bei diesen Formen ist das Risiko gestreut, aber der Bindungseffekt des Mitarbeiters zu seinem Unternehmen geschwächt. Anteile an Personengesellschaften sind derzeit nicht steuerbegünstigt, Arbeitnehmer verlieren sogar ihren Status.

Wirtschaftliche Situation des Unternehmens offen legen

Doch nicht nur steuer- und gesellschaftsrechtliche Fragen stehen im Mittelpunkt, wenn es um eine Beteiligung der Mitarbeiter an ihrem Unternehmen geht. “Eine zentrale Bedingung für Mitunternehmertum ist Offenheit”, betont Christof Stocker, Geschäftsleiter der Stasto Ing. Stocker KG, Innsbruck, und Sohn des Firmengründers. In dem Handelsunternehmen für Industrietechnik, das seinen Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, sich steuerbegünstigt als stille Gesellschafter zu beteiligen, habe jeder die Möglichkeit Akten einzusehen. “Es gibt keine versteckten Informationen”, so Stocker.

Niedrigeres Fixgehalt plus eine variable Gewinnbeteiligung

Bei Stasto sind 35 der insgesamt 52 Beschäftigten Mitunternehmer. Im gesellschaftsrechtlichen Sinn haben diese als stille Gesellschafter keine formellen Mitspracherechte bei der Führung des Unternehmens, aber alle Vorschläge der Mitarbeiter würden eingehend “diskutiert” und im Außenkontakt hätten die stillen Gesellschafter erweiterte und verbindliche Handlungsspielräume. “Wir haben eine sehr flache Hierarchie”, sagt Stocker.

Beteiligt sich ein Arbeiter durch seine Einlage als Mitunternehmer, wird er automatisch Angestellter, für die in Österreich niedrigere gesetzliche Schutzvorschriften gelten, etwa im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes. Die Mitunternehmer werden monatlich bis zu zehn Prozent über den kollektivvertraglichen Mindestbedingungen entgolten. Damit spart das Unternehmen Geld, denn die Löhne sind so immer noch niedriger als die höheren, marktüblichen Konditionen. Daneben erhalten die Mitunternehmer einmal im Jahr eine variable Gewinnbeteiligung (Einkommen aus Gewerbekapital).

Gewinnausschüttung bemisst sich an Selbst- und Fremdbewertungen

Die variable Gewinnbeteiligung bemisst sich unter anderem an der Bewertung des Mitunternehmers in einem zweistufigen Prozess: Die Betriebsführung mit den derzeit fünf Bereichsleitern bestimmt den Anteil des Ausschüttungstopfes für die Bereiche. Für die Aufteilung innerhalb der jeweiligen Bereiche sind die Mitunternehmer im Rahmen einer Selbst- und Fremdbewertung verantwortlich.

“Die Minimierung der fixen Personalkosten war ein wichtiges Motiv, das Modell einzuführen”, sagt Stocker. Daneben habe der Firmengründer nicht mehr nur alleine die Kopfschmerzen im Hinblick auf die Entwicklung des Unternehmens haben wollen. “Jetzt denkt jeder mit”, fasst Stocker die Philosophie des Mitunternehmermodells zusammen. Allein im Jahr der Einführung seien die Kosten in Teilbereichen um bis zu 30 Prozent gesunken. Eine Beteiligung an Verlusten ist in dem Modell nicht vorgesehen. Im Insolvenzfall haften die stillen Gesellschafter mit ihrer Einlage.

Aktienprogramm bei der RHI AG

Auch an dem Technologiekonzern RHI AG in Wien sind die Mitarbeiter beteiligt. Grundlage dafür ist das Programm “4 plus 1”. Danach gibt das Unternehmen jedem Mitarbeiter für selbst gekaufte Aktien in Höhe von maximal 5840 Euro Gratisaktien bis zu der steuerrelevanten Grenze von 1460 Euro dazu. Ende 2006 haben weltweit 966 von insgesamt 6650 Mitarbeitern Gratisaktien erhalten, überwiegend in Österreich. Die aus den Gratisaktien resultierenden Stimmrechte werden nach einer Betriebsvereinbarung an den Betriebsrat abgetreten.

“Die bisherigen Erfahrungen der Arbeitnehmervertretungen mit den Kapitalbeteiligungen sind nicht schlecht”, resümiert Leitsmüller eine gemeinsame Studie von Arbeiter- und Wirtschaftskammer. Nach Leitsmüller ist es ratsam, Kapitalbeteiligungsmodelle gemeinsam durch das Unternehmen und die Arbeitnehmervertretung zu gestalten und einzuführen. Ferner sollte der Betrieb ein gewisses Maß an Risikoschutz zu bieten, zum Beispiel indem Anteile zu einem festgelegten Preis wieder zurückgekauft werden. Weiterhin ist für Freiwilligkeit und Transparenz zu sorgen.

Trend: Lohnzuwächse als Beteiligung auszahlen

“Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen tun sich schwer damit, Daten über die wirtschaftliche Situation des Betriebes offen zu legen”, beklagt Leitsmüller. Arbeiterkammer und Gewerkschaften würden darüber hinaus mit Sorge beobachten, dass seitens der Unternehmen freiwillige Zahlungen, wie etwa Prämien, zunehmend in Kapitalanteile umgewandelt würden und in Tarifverhandlungen von den Arbeitgebern gefordert werde, über den Inflationsausgleich hinausgehende Lohnzuwächse als Beteiligung auszuzahlen.

(Rainer Spies / Bild: Gourmecana, Fotolia.com)