Bewerberportale richtig nutzen

Bewerberportale sind im Trend – fast jedes Unternehmen versucht auf seiner Webpage alle Bewerbungsaktivitäten zu bündeln und damit einen standardisierten Prozess zu erzielen. “Bitte bewerben Sie sich ausschließlich über unser Bewerberportal” ist vielerorts zu lesen.

Bewerberportale bieten viele Vorteile

Sicherlich spricht vieles für Bewerberportale. Wenn Bewerber auf vorgegebenen Masken ihre Daten eingeben, spart das im Unternehmen Ressourcen und damit Kosten. Dies gilt besonders dann, wenn mit einer großen Zahl an Bewerbungen zu rechnen ist und damit Masse bewältigt werden muss. Wir können als firmenseitiger Nutzer ganz gezielt die gewünschten Informationen abfragen und verfügen mit der Bewerberdatenbank über einen Pool an Kandidaten, auf den der HR-Bereich wie auch die Fachabteilungen zeitlich zugreifen können. Das bietet auch die Chance, den Rekrutierungsprozess deutlich zu beschleunigen.

Kostensparend und zielgenau

Mittels Key-Wörter lassen sich Kandidatenprofile ganz gezielt suchen und vorselektieren und auch das gesamte Bewerbermanagement von der Eingangsbestätigung bis zur Einladung zum Gespräch wird quasi auf Knopfdruck gesteuert. Das klingt doch eigentlich perfekt. Zumindest die Controller machen uns das glauben, schließlich lässt sich so der Key Performance Indikator (KPI) “Kosten pro Bewerbung” deutlich verbessern.

Bewerber sind oft unzufrieden

Doch wie so oft im Leben hat auch diese Entwicklung ihren Preis. Fragt man Bewerber  – und diese sind schließlich die Kunden im System-, so fällt das Urteil über die standardisierten Bewerberplattformen der Unternehmen deutlich schlechter aus. Kompliziert, benutzerunfreundlich und aufwendig sind Begriffe, die dabei häufig fallen. Es wird bemängelt, dass oftmals während der Eingabe der Daten, das System abstürzt und man wieder von vorne beginnen muss. Ein besonderer Kritikpunkt liegt in der Tatsache, dass Bewerber häufig ihre kompletten Daten des Lebenslaufs einzeln eingeben müssen und keine Möglichkeit besteht, diesen einfach hoch zu laden.

Individualität nicht gefragt

Aufgrund der Standardisierung bieten Bewerberportale wenig Freiraum für Individualität. So bleibt so gut wie kein Raum für die persönliche Gestaltung der Bewerbung, die durchaus einen Aussagegehalt im Rahmen der Vorselektion haben kann. Gerade in kreativen Berufsfeldern kann dies ein entscheidendes Kriterium sein, das verloren geht. Häufig sehen Bewerber in den Standardmasken keine Möglichkeit ihre spezifischen Qualifikationen richtig unter zu bringen, da entsprechende Eingabefelder fehlen. Insbesondere internationale Bewerber tun sich hier oftmals schwer ihren Werdegang und die damit verbundenen Qualifikationen einzugeben, da diese im System nicht vorgesehen sind.

Auf Kundenfreundlichkeit achten

Im Zuge der immer stärkeren Prozessorientierung und des Kostendrucks gilt es auch im Bewerbermanagement entsprechende Potenziale zu nutzen und Ratioeffekte zu erzielen. Jedoch sollte sehr darauf geachtet werden, dass das System dem eigentlichen Zweck nicht zuwiderläuft und kontraproduktiv wird.

High-Potentials meiden Bewerberportale

Oberstes Rekrutierungsziel ist es, gute Bewerber für das Unternehmen zu gewinnen. Dies bedeutet, dass diese Zielgruppe sich auch angesprochen fühlen muss und eine Bewerbung platziert. Es zeigt sich jedoch, dass gerade überdurchschnittliche Bewerber nicht bereit sind, sich über benutzerunfreundliche und zeitaufwendig zu bearbeitende Bewerbungsmasken einem Unternehmen als Kandidaten zu präsentieren.

Arbeitsaufwand für Kandidaten minimieren

In einem bewerberfreundlichen Arbeitsmarkt, der derzeit eine Vielzahl an Stellenangeboten bietet, werden Unternehmen das Nachsehen haben, deren Rekrutierungsprozess beim Nutzer nur Ärger verursacht. Der Köder muss eben dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Ein wichtiger Aspekt dabei ist beispielsweise der Einsatz von intelligenten Systemen. Diese ermöglichen es dem Bewerber seinen kompletten Lebenslauf hoch zu laden, bevor die Daten werden dann in entsprechende Datenbankstrukturen des Unternehmens überführt werden.

Freiräume gewähren

Bewerber sollten die Möglichkeit erhalten, über freie Textformate zusätzliche Informationen liefern zu können. Dies ist besonders dann wichtig, wenn neben Mainstream-Kandidaten auch interessante Quereinsteiger gewonnen werden sollen, die sich ansonsten mit ihren individuellen Profilen und Vorzügen nicht sichtbar machen können. So gelingt es neben dem Datensatz auch noch ein persönliches Bewerberprofil erkennen zu können.

Unterschiedliche Portale für unterschiedliche Zielgruppen

Wer allen Bewerber-Zielgruppen die gleichen Bewerbungsmasken vorgibt, kann die spezifischen Besonderheiten nur schwer abdecken. Das Profil eines Berufsstarters unterscheidet sich doch deutlich von dem eines Professionals. So berichtete ein Student, der sich auf ein Praktikum bewerben wollte, wie das System seine Bewerbung nicht annahm, weil er im Pflichtfeld “bisheriges Jahreseinkommen inkl. Sonderzahlungen” keine Angaben machen konnte.

Alternative Bewerbungswege zulassen

Auch wenn es aus Unternehmenssicht wünschenswert ist, alle Bewerbungen über ein Bewerberportal elektronisch zu erhalten, sollte doch zumindest die Möglichkeit bestehen auch über andere Wege eine Bewerbung platzieren zu können. Wer hier schriftliche Bewerbungen oder E-Mail-Bewerbungen mit dem Vermerk: “Bitte bewerben Sie sich ausschließlich über unser Bewerberportal” abweist, wie es teilweise in der Praxis derzeit erfolgt, wird im Wettbewerb um gute Kandidaten mittelfristig das Nachsehen haben. Dies gilt ganz besonders für die Zielgruppe der qualifizierten gehobenen Fach- und Führungskräfte mittleren Alters, die eine deutlich geringere Affinität gegenüber Online-Portalen zeigen als die Generationen x und y, der 20- bis 40jährigen.

Die Balance finden

Es ist also noch viel zu tun, um eine optimale Balance zwischen Kostenbewusstsein und individueller Bewerberfreundlichkeit zu finden. Dabei spielt die Frage, wer Kandidaten persönlich anspricht und sich an deren Bewerbungspräferenzen orientiert eine nicht zu unterschätzende Rolle. Am Ende zählt der Erfolg –  und den haben Unternehmen, welche die besten Kandidaten für sich gewinnen können, ob über Bewerberportal oder andere Wege.

( Doris Brenner, August 2011 / Bild: Ashwin)