Bewerberauswahl mit Online-Tests
Die Akzeptanz onlinebasierter Tests zur Personalauswahl nimmt zu. Mit dem Einsatz sparen Unternehmen Zeit und Kosten. Voraussetzung ist allerdings, dass die eingesetzten Online-Module passgenau auf die eigene Firma zugeschnitten ist.
Von Rainer Spies
Bei der Lufthansa AG erfolgt die Vorauswahl von Bewerbern seit Jahren online. „Selbst in Zeiten, in denen wir nicht eingestellt haben, hatten wir bis zu 80.000 Bewerbungen im Jahr“, Jürgen Wiedmann, Experte für Eignungsdiagnostik bei der Deutschen Lufthansa AG. Jetzt sind es rund 120.000. Und: Online-Verfahren bei der Vorauswahl einzusetzen rechnet sich. „Die Anzahl von Interviews und Assessment-Centern vor Ort sinkt signifikant“, sagt Wiedmann.
Online-Test statt Telefoninterview
Früher hat Lufthansa die Vorauswahl per Telefoninterview vorgenommen. Jetzt werden zeit-, personal- und kostensparendere Online-Tests eingesetzt, um „anforderungsgesteuert“ numerisches und analytisches Denkvermögen, Konzentrationsfähigkeit sowie Englischkenntnisse abzuprüfen. In Simulationsaufgaben erfährt Lufthansa auch etwas über komplexere Denkleistungen der Bewerber. „Sie sind einfach besser“, sagt Wiedmann zur prognostischen Qualität der eingesetzten Tests. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kandidat nach erfolgreicher Vorauswahl auch die weiteren Schritte bestehe, sei deutlich angestiegen.
Bei Max Bahr ist im Bereich der Auszubildenden die Zahl der Bewerber in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Dennoch rechnet sich bei dem Traditionsbaumarkt das Online-Vorauswahlverfahren mit Kostenersparnissen von rund 10.000 Euro im Jahr. „Die Bewerbungen werden automatisch standortspezifisch gefiltert“, sagt Jens Steinbeck, Referent für Personalentwicklung bei Max Bahr.
Zeit- und Kostenersparnis
Im ersten Schritt der Online-Bewerbung geben die angehenden Auszubildenden an, welche Schulnoten sie erreicht und welche Praktika sie absolviert haben. Daneben müssen sie mit einem Test ihre Mathematik- und Deutschkenntnisse sowie ihr Allgemeinwissen unter Beweis stellen.
Die Quote derjenigen, die die weiteren Auswahlverfahren bestünden, sei seit dem Einsatz des Tests deutlich angestiegen, bestätigt Christian Roos. Roos ist Partner der Unternehmensgruppe Prof. Sarges & Partner (Barnitz im Kreis Stormann), die sich auf eignungsdiagnostische Beratung spezialisiert hat und unter anderem Leistungs-, Interessen- und Motivationstests anbietet.
Passgenauigkeit der Tests ist Voraussetzung
Dass Sarges & Partner eigens für den Baumarkt einen Leistungstest konzipiert hat, hängt mit der mangelnden Übertragbarkeit anderer Tests zusammen. „Viele Tests sind für ganz bestimmte Gruppen wie angehende Auszubildende in Banken entwickelt worden“, sagt Roos.
Angst, dass beim Online-Test geschummelt werden könnte, hat man bei Max Bahr nicht. Im Gegenteil. „Es gibt keine Zeitbegrenzung und jeder könnte sich Hilfe holen“, sagt Steinbeck. Nutzen würde das kaum, denn im Verlauf der weiteren Auswahl muss ein zweiter Leistungstest absolviert werden. Dann offline.
Haben Schummler eine Chance?
Auch Lufthansa reagiert da gelassen. „Dass Hilfsmittel oder sogar Testknacker eingesetzt werden, können wir nicht verhindern“, sagt Wiedmann. Erstens würden aber die Bewerber darauf hingewiesen, dass im Verlauf des Verfahrens weitere Tests eingesetzt werden. Und zweitens kämen bei der Vorauswahl nur vergleichsweise sichere Tests zum Einsatz.
„Etwas anders verhält es sich bei Persönlichkeitstests“, sagt Wiedmann. Hier bestehe die Tendenz, dass das Antwortverhalten an der sozialen Erwünschtheit ausgerichtet wird. Die Océ-Deutschland GmbH dagegen hat hier keine Berührungsängste. In dem zur Canon-Gruppe gehörenden Unternehmen sind Online-Persönlichkeitstests fester Bestandteil des AC. „Dies ermöglicht uns eine schnelle Auswertung“, sagt Anne Seiffert, Personalreferentin Ausbildung bei Océ. Die angehenden Auszubildenden und dual Studierenden würden noch am gleichen Tag ein Feedback erhalten.
Persönlichkeitstests
Entwickelt worden sind der Leistungs- und der Persönlichkeitstest von dem Anbieter cut-e. „Wir hatten kein gutes Gefühl“, sagt Seiffert zur Ausgangslage. Bei dem vormals eingesetzten Test seien die Ergebnisse erheblich von denen der anderen Auswahlmodule abgewichen. Jetzt gebe es „signifikante Überschneidungen“ zwischen den AC- und den Testergebnissen, sagt Stefan Häussermann, Berater bei cut-e.
Neben solchen Analysen im Auftrag eines Kunden würden laufend Validität, Reliabilität und Objektivität der angebotenen Tests überprüft und dokumentiert. Aber auch der Preis ist ein Kaufkriterium. Zwischen zwei und dreihundert Euro pro AC-Teilnehmer für die Auswertung eines Tests zu zahlen, habe nicht ihren Erwartungen entsprochen, berichtet Seiffert. Zum Teil hätten aber auch die den Persönlichkeitstest zugrunde gelegten Verhaltensmodelle nicht den speziell in ihrem Unternehmen definierten entsprochen.
Nicht jeder Paper-Pencil-Test sei ohne Weiteres in die Online-Welt transferierbar, warnt Niclas Schaper, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Paderborn, vor einem leichtfertigen Umgang. Über die gängigen Gütekriterien hinaus müssten Personalmanager in der Lage sein, die Qualität eines Tests selbst beurteilen zu können. Sich damit im HR-Management eingehend zu befassen, sei höchste Zeit. „Die Unternehmen täten zum Beispiel gut daran, zu erklären und zu verdeutlichen, welchen Test sie für welche mit dem Job verbundenen Anforderungen einsetzen.“ (Bild: Fotolia.com)