E-Mail-Knigge fürs Büro
Viele denken: Nachrichten aus dem schnellen Medium Internet wollen auch schnell beantwortet sein. Doch das lässt den Mailverkehr schnell ins Unermessliche wachsen.
Bernfried Aust* war es irgendwann leid. Ehe ihm der Kragen platzte, so hatte er sich geschworen, wollte er beim nächsten Meeting mit dem Kunden den dort verantwortlichen Bereichsleiter einmal diskret auf das Problem ansprechen. Denn kaum hatte Aust, Börsenfachmann einer kleinen Kommunikationsagentur, Meetings mit den Projektbeteiligten des Finanzdienstleisters hinter sich, erhielt er das eben Besprochene mit Anmerkungen oder Rückfragen versehen noch einmal per Mail. Mit wenigstens acht Mitlesern in ‘Cc’ – von denen jeweils mindestens zwei meinten, darauf allen gegenüber reagieren zu müssen. Schließlich war ja immer auch irgendein Chef mit im Verteiler. Austs Bereichsleiter sah die Sache zum Glück genau wie sein Mitarbeiter. Er wünschte sich beim nächsten Meeting einfach jeweils ein kurzes Protokoll mit den wichtigsten Aufgaben, das dann an die unmittelbar Betroffenen zu versenden sei.
In der Ruhe liegt die Kraft
“Die Schnelligkeit des Internets verführt oft zu einem sehr unreflektierten Umgang, und das treibt seltsame Blüten”, weiß Dr. Martina Dressel. Sie berät Unternehmen in Fragen der Online-Kommunikation – von der Mailarchivierung bis zum E-Mail-Management – und hat ein Buch mit dem vielsagenden Titel “E-Mail-Knigge” geschrieben. Ein gutes Zeitmanagement ist für sie der Schlüssel zu einem angemessenen Umgang mit dem Thema E-Mails.
Zwar sei es grundsätzlich ein Gebot der Höflichkeit, auf elektronische Post innerhalb eines Tages zu antworten. Wenn aber diese Zeit für eine angemessene Antwort nicht bleibe, reiche zunächst auch eine kurze und freundliche Empfangsbestätigung, in der eine spätere detaillierte Mail avisiert wird. “Das gehört einfach zum guten Ton”, so die Buchautorin.
Innerhalb 24 Stunden reagieren
So sieht es auch Stephan Teuber, Vorsitzender des Fachverbandes Personalmanagement beim Bund Deutscher Unternehmer (BDU): “Ihr Ziel sollte sein, innerhalb von 24 Stunden auf E-Mails zu reagieren. Aber setzen Sie sich nicht unter Druck, innerhalb einer halben Stunde zu antworten!” Das arte nämlich leicht in Aktionismus aus und man verliere die Steuerung. Und wenn Hektik erst die Oberhand gewinnt, schleichen sich Fehler in den Arbeitsalltag ein: Ob durch schnelles, schludriges Antworten auf E-Mails oder das Anlegen und Aufblähen immer unübersichtlicherer Verteiler.
“Machen Sie sich einfach klar, dass die E-Mail im Berufsleben sich vom Geschäftsbrief primär durch den technischen Kanal unterscheidet”, sagt Martina Dressel. Und so, wie man seine Briefe vor dem Versand auf ein ordentliches Erscheinungsbild, einen klar strukturierten Inhalt und einen höflichen Umgangston überprüfe, solle man das auch bei E-Mails tun: “Stellen Sie sich vor, jemand schreibt Ihnen einen Brief – und setzt rechts unten neben die Grußformel mit dem Vermerk “zur Kenntnisnahme” ein ganzes Batallion von Menschen, das die an Sie persönlich gerichtete Nachricht mitliest. Wie würden Sie sich dabei fühlen?”
Telefonieren, mailen oder treffen?
Wenn hoher Zeitdruck herrscht und kurze Absprachen nötig sind, empfiehlt Martina Dressel in jedem Fall den Griff zum Hörer statt zu e-mailen. Die nötige Klärung erhalte man so oft schneller, das Risiko von Missverständnissen oder Konflikten lasse sich leichter vermeiden.
“E-Mails sind wie die Briefpost oder das Fax immer eine asynchrone Kommunikation, nur das Telefonieren oder der persönliche Kontakt verläuft synchron – also auf direktem Weg”, verdeutlicht sie. Sind viele Personen in notwendige Absprachen einzubeziehen oder von Entscheidungen betroffen, müsse man überlegen, ob nicht ein kurzes Meeting der bessere Weg sei, als eine E-Mail an alle.
Besonderheiten bewusst machen
Nur, wo sich ein Brief als beste Möglichkeit erweise, komme die E-Mail als alternativer Weg in Frage. Und zwar dann, wenn es schneller gehen muss und einfacher gehen darf als per Briefpost. Neben der Schnelligkeit haben E-Mails aber auch noch andere Besonderheiten, die man bedenken sollte.
Anders als bei einem Brief beispielsweise erfasst der Adressat einer Mail auf dem Schirm zunächst nur den Absender und den Betreff mit einem Blick. Beides sollte daher klar und aussagekräftig sein. Nur dann darf man auch auf die Aufmerksamkeit des Empfängers und damit das Öffnen der Mail hoffen. Natürlich müssen Inhalt und Struktur des Textes auch einlösen, was der Betreff verspricht. Und das am besten eindeutig, kurz und prägnant.
E-Mail oder Brief?
Verbietet die inhaltliche Komplexität einen leicht überschaubaren Text, stellt sich erneut die Frage nach dem Briefversand. Denn vom Papier liest es sich mit weniger Anstrengung, als von einem Bildschirm. Und wer druckt seine Mails schon aus?
Für das Verfassen der Texte müsse man sich aber generell Zeit nehmen, so Buchautorin Dressel: “Kurze, gut strukturierte und klar verständliche Texte zu schreiben macht nun mal mehr Mühe und dauert länger, als ‘Bleiwüsten’ in die Tastatur zu hacken – diese Anstrengung schulden Sie Ihrem Gegenüber aber immer, gleich ob in Brief oder E-Mail.” Deswegen sei es auch ratsam, bei der Mailbearbeitung keine unnötige Zeit zu vergeuden.
Einfache Tricks erleichtern den Alltag
“Bestimmen Sie selbst, wann Sie Mails bearbeiten”, rät Stephan Teuber: “Egal, ob Sie den Maileingang viermal oder zweimal täglich bearbeiten wollen – bleiben Sie konsequent! Und stellen Sie optische oder akustische Signale des Maileingangs ab, wenn der Mailclient im Hintergrund läuft – das dauernde ‘Pling’ lenkt unnötig ab!” Widmet man sich dann dem Posteingang, gelte es, die Uhr im Blick zu behalten.
Bis zu sechs Minuten sieht der Unternehmensberater als Entscheidungsgröße: “Was in der Zeit geht, sofort beantworten! Was länger dauert, wandeln Sie besser in eine Aufgabe oder einen Termin um – verschieben Sie die Mail aus dem Posteingang in eine Aufgabenliste und definieren Sie ein Erledigungsdatum dafür.”
Was man löschen könne, solle man auch sofort löschen, was zu archivieren sei, weil es Absprachen und Vorgänge rekonstruierbar mache, solle man auch sofort archivieren. Dieses “Sofort-Prinzip”, so der Unternehmensberater und Personalmanager Teuber, helfe Zeitverluste etwa durch wiederholtes Öffnen und unerledigtes Schließen der E-Mails zu vermeiden. Ziel sei ein leerer Posteingang bei Arbeitsende. “Nur wer strukturiert vorgeht, kann seinen Mailverkehr effzient nutzen”, resümiert auch Martina Dressel. Und der täglichen E-Mail-Flut damit Einhalt gebieten.
*Name von der Redaktion geändert