Innere Kündigung
Der Druck in der Arbeitswelt nimmt zu. Nur wenige kommen damit zurecht. Viele scheitern an unrealistischen Vorgaben, werden krank oder kündigen innerlich. Der Wirtschaft gehen damit wertvolle Ressourcen verloren. Tipps zum Gegensteuern.
Huber kommt gut gelaunt ins Büro und spult lässig sein tägliches Pensum herunter, während Kollege Schmidt aus Frust kapituliert. Eine typische Entwicklung, die sich oft unbemerkt vollzieht: Diejenigen, die sich mit vollem Einsatz einbringen und mit ihrem Unternehmen identifizieren, sind rar geworden. Umgekehrt nehmen die Demotivierten in der Deutschen Wirtschaft zahlenmäßig zu. Eine betriebswirtschaftliche Katastrophe, wie Studien zeigen: Auf rund 100 Milliarden Euro beläuft sich der Schaden, der jedes Jahr durch innere Kündigung hervorgerufen wird. Denn letzten Endes sinkt die Produktivität der Betroffenen in einem Maße, dass sie nicht mehr das erwirtschaften, was sie kosten.
Motivation wird zunehmend zum Fremdwort
Dass der Anteil an unzufriedenen Beschäftigten inzwischen jedem Manager zu denken geben müsste, belegen die vom Meinungsforschungsinstitut Gallup jährlich vorlegten Zahlen. Nur eine kleine Gruppe von 11 Prozent zeichnet sich durch eine hohe emotionale Bindung an den Arbeitgeber aus. Auf der anderen Seite schieben 66 Prozent Dienst nach Vorschrift und haben sich innerlich bereits verabschiedet.
Führungskräften sollten von innerer Kündigung bedrohte Mitarbeiter schnell auffallen. Schmidt, zuvor ein Mitarbeiter, dessen Leistung kaum zu wünschen übrig ließ, ist wie ausgewechselt. Er übt weder Kritik noch unterbreitet er Lösungsvorschläge. Statt wie früher engagiert aufzutreten und Initiative zu entwickeln, erledigt er nur noch pflichtschuldig seine Arbeit.
“Fahrlässiger Umgang mit Mitarbeitern”
“Es ist ein Trauerspiel, wie fahrlässig Unternehmen mit ihren Mitarbeitern umgehen”, sagt Peter Friederichs, Vorsitzender des Human Capital Clubs. Der Psychologe und einstige Personaldirektor einer Münchner Bank beobachtet nicht nur, dass Führungskräfte in punkto Mitarbeitermotivation versagen. Auch sie selbst seien überfordert, die ständig steigenden Anforderungen zu erfüllen.
Das Problem heißt: Arbeitsverdichtung. In immer kürzeren Zeitintervallen müssen immer weniger Mitarbeiter immer mehr leisten. Unter dem gestiegenen Zeit- und Aufgabendruck gelingt es Führungskräften kaum noch, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und ihren Mitarbeitern klare und realistische Ziele vorzugeben.
Probleme abzuschalten
“Privat würde auch niemand auf die Idee kommen, mit seiner Großmutter auf den Mont Blanc zu klettern”, sagt Friederichs, “doch Führungskräfte treiben ihre Mannschaft untrainiert den Berg hinauf.” Im Bewusstsein der Mitarbeiter kommt das etwa so an: “Wann ich zur Arbeit komme, bestimme ich. Wann ich gehe, der Kunde.”
Nach der Arbeit hat jeder Zweite Probleme abzuschalten, ergab eine Untersuchung der Universität Duisburg-Essen. Jeder Vierte hat das Gefühl, dass sein Privatleben durch die Arbeit beeinträchtigt wird.
Nachhaltigkeit fördern
Unternehmen, so Friederichs, sollten deshalb ihre Ressourcen nicht verheizen, “sondern Nachhaltigkeit in der Arbeit fördern.” Anders formuliert: Wer Produktivität erhöhen will, muss danach fragen, wie viel Zeit Mitarbeiter für die Erledigung ihrer Aufgaben haben, und ob sie dabei optimal eingesetzt sind und unterstützt werden müssen.
Doch das ist ein wunder Punkt. Das Mitarbeitergespräch, in dem sich Vorgesetzte mit ihren Mitarbeitern eigentlich auf Ziele einigen und über vernünftige Wege dorthin verständigen sollten, ist vielen Führungskräften unangenehm und lästig.
Klare Ziele vermitteln
“Viele haben damit zu kämpfen, ein offenes Feedback zu geben und klare Ziele zu vermitteln”, beobachtet Frank Schabel, Autor eines Buches über betriebliche Kommunikation und Marketingleiter der Frankfurter Unternehmensberatung Hays. Dies würde doch voraussetzen, sich wirklich Zeit zu nehmen und ein klares Bild von jedem Mitarbeiter und seinem weiteren Laufbahn zu entwickeln.
Hinzu kommt laut Schabel, dass die Führungskraft oft selbst keine klaren Ziele hat und demzufolge keine untergeordneten Ziele für die Mitarbeiter definieren kann. “Mangelnde Zielvorgaben fangen ganz oben an und pflanzen sich nach unten fort.”
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt
“Personaler sollten umgehend eingreifen, Problembereiche identifizieren und Lösungen vorschlagen”, gibt Friederichs die Marschroute vor. Nach einer Umfrage der Fachhochschule Rheinland-Pfalz unter Verantwortlichen im Personalbereich scheint nicht nur eine bessere Sinnvermittlung für die Mitarbeiter sowie ein professionelles Mitarbeitergespräch der inneren Kündigung den Nährboden zu entziehen.
Auch die Entwicklung einer auf Vertrauen basierenden Unternehmenskultur und nicht zuletzt positive Umgangsformen können Mitarbeiter davor bewahren, sich als unbedeutendes Rad im Getriebe zu sehen.