Situativ Führen: Führungsstil und Mitarbeiterentwicklung

Wenn Führungskräfte ihren eigen Führungsstil und die Entwicklungsstufe ihrer Mitarbeiter kennen, können sie entscheiden, welches Führungsverhalten bei einer Aufgabe angemessen ist.

Ist die Aufgabe für den Mitarbeiter neu, also sein Engagement hoch, aber seine Kompetenz noch niedrig, dann ist ein Anleiten angesagt. Bei einem Mitarbeiter hingegen, der bereits erste Erfahrungen gesammelt hat, dessen Engagement aber aufgrund von Rückschlägen erlahmt ist, ist ein Coachen angesagt.

Mentale Unterstützung

Hat ein Mitarbeiter schon eine gewisse Kompetenz entwickelt, scheut sich aber, diese anzuwenden, dann ist primär eine mentale Unterstützung nötig. Und hat ein Mitarbeiter bereits eine recht große Routine und stimmt sein Engagement, dann kann die Führungskraft die Aufgabe an den Mitarbeiter delegieren.

 

Das eigene Führungsverhalten reflektieren

Um ihre Mitarbeiter effektiv zu führen, müssen Führungskräf-te die vier Führungsstile nicht nur kennen, sondern auch praktizieren (können). Sonst entwickelt sich die Kompetenz ihrer Mitarbeiter nicht und ihr Engagement sinkt.

Beispiel: Nehmen wir an, ein junger Vertriebsmitarbeiter muss erstmals eine Verkaufspräsentation planen und durchführen. Er befindet sich also auf Entwicklungsstufe 1. Dann benötigt er von seinem Vorgesetzten eine fachliche Unterstützung, wie eine solche Präsentation aufgebaut sein sollte, damit der Kunde am Schluss sagt “Ja, das will ich haben”. Er muss zudem ermutigt werden: “Das schaffen Sie mit meiner Unterstützung, selbst wenn …”.

Nicht jeden Handgriff vorgeben

Anders ist es, wenn derselbe Mitarbeiter schon mehrere Präsentationen konzipiert und durchgeführt hat. Gibt der Chef dem Mitarbeiter dann immer noch jeden Handgriff vor und schaut ihm permanent über die Schulter, dann lähmt dies nicht nur dessen weitere fachliche Entwicklung, auch seine Motivation sinkt. Denn er denkt zurecht: “Mein Chef betrachtet mich immer noch als blutigen Anfänger. Er würdigt meine Lernfortschritte nicht.”

Ähnlich demotivierend oder wenig kompetenzfördernd kann es aber auch sein, wenn ein Chef seinem Mitarbeiter zu wenig Unterstützung bietet.

Beispiel: Nehmen wir an, ein Vertriebsmitarbeiter hat schon mehrere Verkaufspräsentationen konzipiert und erfolgreich durchgeführt. Er befindet sich also auf Entwicklungsstufe 3. Bisher waren die Präsentationen aber für Handwerksbetriebe bestimmt und nun soll er plötzlich vor dem Vorstand eines Konzerns präsentieren. Das verunsichert ihn, was er auch artikuliert. Wenn dann sein Chef zu ihm nur im Vorbeigehen schulterklopfend sagt “Ach, das schaffen Sie schon”, dann fühlt sich der Mitarbeiter nicht ernst genommen und im Stich gelassen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sinkt sein Engagement.

Individuelles Führungsverhalten

Daraus folgt: Führungskräfte müssen ihr Führungsverhalten jeweils neu der Entwicklung eines Mitarbeiters anpassen. Das tun sie oft nicht. Untersuchungen zeigen: 89 Prozent der Führungskräfte präferieren einen oder zwei der vier Führungsstile. Die anderen zeigen sie entweder nicht oder nur in Ausnahmefällen. Deshalb sollten sich Führungskräfte regelmäßig ein Feedback über ihr Verhalten einholen oder dieses analysieren lassen, um Ansatzpunkte zu identifizieren, wie sie dieses optimieren können.

Damit Führungskräfte die Entwicklung ihrer Mitarbeiter gezielt fördern können, müssen sie sich mit deren Vorgehen beim Lösen ihrer Aufgaben befassen. Sie sollten also regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen und mit ihnen erörtern: Welche Aufgaben stehen an und welche Ziele gilt es hierbei zu erreichen?

Fachliche und Mentale Unterstützung

Danach können sie mit ihnen klären, welche fachliche und mentale Unterstützung sie hierfür benötigen, also welcher Führungsstil angebracht ist, und eine entsprechende Vereinbarung treffen. So können sie bei ihren Mitarbeitern eine Entwicklung in Gang setzen, die darauf abzielt, die jeweils nächsthöhere Entwicklungsstufe zu erreichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Julia Voss
ist Geschäftsführerin des Trainings- und Beratungsunternehmens Voss+Partner, Hamburg, das seit 1987 dem Blanchard-Verbund angehört. Das Institut bietet unter anderem von Ken Blanchard lizenzierte Seminare zum Thema “Situativ Führen” (SLII®) an (Internet: www.voss-training.de, E-Mail: infovoss@voss-training.de)