Mitarbeiterbindung: Die Umsetzung
Mitarbeiterbindung ist ein ständiger Prozess, keine Einmalaktion. Fettnäpfchen gibt es viele, doch entscheidend für ein Gelingen sind letztlich die Führungskräfte.
von Michael Vogel
Instrumente der Mitarbeiterbindung kann man nicht aus dem Katalog auswählen. Was für die eine Belegschaft passt, fruchtet bei der nächsten überhaupt nicht. Gunther Wolf, Managementberater bei der Wolf I.O. Group, hat das im Fall von zwei Unternehmen, die vermeintlich in der gleichen Situation waren, erlebt: “Region, Branche und Alter der beiden Firmen waren vergleichbar, trotzdem wünschten sich die Belegschaften bei Befragungen sehr unterschiedliche Zusatzangebote seitens des Arbeitgebers”, erzählt er. “Im einen Fall waren die Mitarbeiter an Sport interessiert, im anderen an gemeinsamen Aktivitäten und intensiveren Kontakten zur Unternehmensleitung.”
Mitarbeiterwünsche: Nicht aus dem Rahmen fallen!
Management und Personalabteilung sollten also, bevor sie ihre Instrumente der Mitarbeiterbindung entwickeln, zunächst in die Organisation hineinhören. Ob das in Gesprächen, per Umfrage oder im Rahmen der jährlichen Mitarbeitergespräche erfolgt, hängt sicherlich auch von der spezifischen Situation im Unternehmen ab. “Bei Mitarbeiterbefragungen sollte man aber immer deutlich machen, dass es nicht darum geht, einfach einen Wunschzettel zu verfassen, sondern dass die Mitarbeiterwünsche in einem Rahmen liegen müssen, den der Arbeitgeber vorgibt”, so Wolf.
Sophia von Rundstedt, Geschäftsführerin der Personalberatung von Rundstedt HR Partners, pflichtet Wolf bei. “Sonst empfindet die breite Masse der Belegschaft außergewöhnliche Angebote schnell als Ungerechtigkeit.” Vermeiden könne ein Unternehmen das zum Beispiel, indem es für jede Hierarchieebene ein bestimmtes Budget für Weiterbildungsmaßnahmen vorsehe. Kritisch werde es aber auch, wenn die Arbeitnehmer nach dem Gießkannenprinzip bedacht würden. Die Gefahr, dass davon die Falschen profitieren und die Ausgaben sich nicht in dem gewünschten Maße rentieren, ist dabei recht groß.
Qualität statt Quantität
Bei den Instrumenten der Mitarbeiterbindung geht es in den Augen von Wolfgang Degreif, Geschäftsführer der Unternehmensberatung SEPB Consulting, vor allem um Qualität, nicht um Quantität: “Erfolgreich ist eine Politik der kleinen Schritte. Ein zu großes Angebot verwirrt die Belegschaft eher und man läuft Gefahr, dass einzelne Elemente untergehen, weil die Belegschaft den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennen kann.”
Gunther Wolf empfiehlt, parallel zur Befragung der Mitarbeiter nach deren Bedürfnissen, die Belegschaft in verschiedene Gruppen aufgrund der beiden Kriterien “Potenzial” und “Performance” einzuteilen. “Zusammen mit der strategischen Relevanz einer bestimmten Qualifikation für das Unternehmen und deren Verfügbarkeit am Markt, kann man daraus letztlich geeignete Maßnahmen ableiten, um Potenzialträger langfristig zu binden.”
Einmal geweckte Erwartungen nicht enttäuschen!
Gefährlich für den Aufbau einer funktionierenden Mitarbeiterbindung können die verschiedenen Interessen im Unternehmen werden. So kann etwa das Management Board oder der Betriebsrat die Wünsche der Belegschaft so weit verwässern, “dass nur noch eine Suppe ohne Gewürze übrig bleibt” (Wolf). Oder Führungskräfte versuchen aus Eigennutz, ihnen genehme Mitarbeiter zum Beispiel in Talentpools zu heben, unabhängig von der Frage, ob die Betroffenen nun tatsächlich Potenzialträger sind oder nicht.
Eine Personalabteilung, die nur verwaltet statt gestaltet, tut sich natürlich schwer, hier regulierend einzugreifen, da ihre Kompetenz angezweifelt wird. “Eine Mitarbeiterbindung zu etablieren kostet Zeit und erfordert die Rückendeckung des Managements”, sagt Wolfgang Degreif. Der Personalabteilung komme dabei die Aufgabe zu, die tatsächlichen Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter herauszuarbeiten – und sicherzustellen, dass die gemachten Versprechen seitens der Führungskräfte eingehalten würden. Denn nichts ist abträglicher für die Mitarbeiterbindung als Erwartungen zu wecken, die sich dann nicht erfüllen lassen.
Potenzialträger binden
Wobei es nicht immer nur um die Erfüllung gehe, ergänzt Gunther Wolf. “Gerade bei der Bindung von Potenzialträgern genügt das nicht. Ein Unternehmen muss die Erwartungen sogar übertreffen.” Um dafür die geeigneten Incentives auswählen zu können, sei es wichtig, dass die Führungskräfte auch eine Vorstellung von den privaten Interessen ihrer Mitarbeiter entwickelten.
Den Führungskräften kommt bei der Etablierung einer Mitarbeiterbindung also eine zentrale Rolle zu. “Sie müssen sich daran messen lassen, dass sie ihre Mitarbeiter entwickeln”, sagt Wolf. Entsprechende Zielvereinbarungen mit den Führungskräften, an deren Erreichen variable Gehaltanteile geknüpft sind, können helfen, dieses Bewusstsein in den Köpfen der Betroffenen zu verankern.
Ein ungeeigneter Vorgesetzter dagegen könne alles zunichte machen, was Personalabteilung und Führungsgremien mühselig aufgebaut hätten, warnt Wolf und verweist auf die amerikanische Redewendung “People join companies but leave managers”.