Das familienfreundliche Unternehmen

Der viel diskutierte Fachkräftemangel ist mittlerweile ein flächendeckendes Phänomen geworden. Und so besinnen sich viele Unternehmen auf einen Aspekt, der noch vor wenigen Jahren vor allem in Sonntagsreden zu finden war: Familienfreundlichkeit.

Von Martin Kinkel

Viele Unternehmen nehmen Familienfreundlichkeit nun wirklich ernst, richten betriebliche Abläufe an den Bedürfnissen von Eltern aus oder bieten familienbezogene Zusatzleistungen an. Selbstverständlich kommen all diese Veränderungen nicht nur Müttern, sondern auch Vätern zugute, die ebenfalls zunehmend Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

  • Flexible Arbeitszeiten: Schon Gleitzeit kann eine enorme Erleichterung für Eltern sein, wenn sie kurzfristig Betreuung für ein krankes Kind organisieren müssen oder der Gang zum Kindergarten eben einmal zehn Minuten länger gedauert hat. Auch flexible Endzeiten bei der Arbeit sind hilfreich, zumal viele Betreuungseinrichtungen starre Öffnungszeiten haben – und damit genau das Gegenteil von dem, was viele Eltern für einen entspannten Tagesablauf benötigen.
  • Wechsel auf Teilzeit und zurück: Unabhängig von gesetzlichen Ansprüchen richten sich immer mehr Unternehmen darauf ein, dass Mitarbeiter nicht durchgängig Vollzeit arbeiten wollen oder können. Je nach Bedarf werden zum Beispiel Arbeitsplätze geteilt und mit zwei Mitarbeitern besetzt, die sich bisweilen sogar selbstständig über die Verteilung ihrer Arbeitszeiten abstimmen dürfen. Und ebenso wichtig ist es natürlich, dass die Arbeitgeber auch einen flexiblen Weg zurück von Teilzeit auf Vollzeit ermöglichen.
  • Langfristarbeitszeitkonten: Hier können Mitarbeiter beispielsweise Überstunden oder nicht genommene Urlaubstage „sparen“ und so Guthaben aufbauen. Diese Guthaben können, je nach den Regeln des Arbeitgebers, dann eingesetzt werden, um Einkommensausfälle in Phasen mit Teilzeitarbeit abzufedern. Da das Guthaben bekannt ist, lässt sich auch problemlos ausrechnen, für welchen Zeitraum es ausreicht. So reichen 500 Stunden Guthaben bei einer 40-Stunden-Woche für 25 Wochen Teilzeit mit 50 Prozent bei vollem Gehalt: Das Gehalt für 20 Stunden je Woche wird erarbeitet, das Gehalt für die fehlenden 20 Stunden wird 25 Wochen lang aus dem Guthaben „bezahlt“.
  • Zuschüsse zur Kinderbetreuung: Familienfreundliche Firmen haben zum Beispiel Kontingente bei örtlichen Betreuungseinrichtungen und geben auch Zuschüsse zu den Kosten. Manche Arbeitgeber richten sogar gleich eigene Betriebskindergärten oder -krippen ein. Das kostet zwar Geld, erhält ihnen aber vielfach qualifizierte junge Mitarbeiter. Und gerade bei Betriebskindergärten lassen sich auch die Betreuungszeiten an die Arbeitszeiten der Eltern anpassen, die so deutlich flexibler arbeiten können.
  • Betriebssport mit Kindern: Schon durch die alternden Belegschaften ist betriebliches Gesundheitsmanagement ein wichtiges Feld der betrieblichen Sozialarbeit geworden. Familienfreundliche Arbeitgeber bieten dabei auch Sportmöglichkeiten, die die Kinder einbeziehen oder zeitgleich zu den Kursen der Eltern stattfinden.
  • Kinder mitbringen können: Generell gilt, dass Mitarbeiter und Chef vorab absprechen sollten, ob es für den Notfall möglich ist, ein Kind zur Arbeit mitzunehmen. Natürlich lässt sich das nicht in jedem Betrieb oder bei jeder Tätigkeit einrichten, ist aber eine enorme Erleichterung, wenn einmal kurzfristig die Kinderbetreuung ausgefallen ist. Manche Unternehmen bieten sogar eigens eingerichtete Eltern-Kind-Büros mit Spielecke, die für den Notfall von dem betroffenen Elternteil kurzfristig genutzt werden können.
  • Pflegezeit und -möglichkeiten: Familienfreundlichkeit bezieht sich mittlerweile nicht mehr nur auf Eltern mit kleinen Kindern, sondern auch auf Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen, also vor allem auf Mitarbeiter jenseits der 40. Neben den gesetzlichen Möglichkeiten bieten familienfreundliche Arbeitgeber hier beispielsweise Hilfen, wenn kurzfristig eine Pflegekraft benötigt wird, oder verfügen sogar über kleine Notfall-Kontingente in Heimen.
  • Home-Office: Für den Arbeitgeber verringert ein Heimarbeitsplatz den Raumbedarf und damit auch die Kosten. Eltern mit kleinen Kindern können zu Hause oft flexibler arbeiten, sind in der Nähe ihrer Kinder und sparen sich zudem den Stress mit oft langwierigen Anfahrten zur Arbeit in den Stoßzeiten. Aus diesem Grund sind oft Firma und Mitarbeiter an einem Home-Office interessiert. Für die Mitarbeiter gilt jedoch, dass sie sich trotzdem ab und an auch persönlich im Büro blicken lassen sollten, um die persönlichen Kontakte zu pflegen und über das Unternehmen auf dem Laufenden zu bleiben.
  • Videokonferenzen/Weiterbildung: Videokonferenzen und E-Seminare sparen dem Arbeitgeber Kosten und den Mitarbeitern Reisezeit und Reisestress – die Termine können oft sogar zu Hause wahrgenommen werden, sodass Eltern in der Nähe ihrer Kinder sind. Bei internen und externen Weiterbildungen gibt es auch Angebote mit Kinderbetreuung während der Schulungszeiten.Soziale Dienste, Servicetelefone: Insbesondere größere Unternehmen bieten auch mit ihren Sozialdiensten umfassende Beratungen zu familienbezogenen Themen an. Diese helfen etwa bei Erziehungs-, Beziehungs-, Geld- oder Drogenproblemen oder bei Schwierigkeiten rund um die Pflege von Angehörigen. Kleinere Firmen nutzen für diese Themen meist externe Dienstleister, bei denen die Mitarbeiter im Notfall schnell Fachleute erreichen können.
  • Zertifikat „Familienfreundlichkeit“: Immer mehr Arbeitgeber lassen ihre Familienorientierung von externen Beratern überprüfen und verpflichten sich, laufend an Verbesserungen in diesem Bereich zu arbeiten. Mit einer Auditierung und einem Zertifikat können sich die Arbeitgeber auch gegenüber potentiellen Bewerbern als familienfreundlich darstellen. Weitergehende Informationen finden Sie auf http://www.beruf-und-familie.de

Auch wenn manche der Angebote in Großunternehmen leichter umzusetzen sind, erkennen immer mehr Mittelständler, dass sie ihren Mitarbeitern in puncto „Familienfreundlichkeit“ etwas bieten müssen. Gerade hochqualifizierte Mütter werden heute massiv von allen Seiten umworben – und die potentiellen Arbeitgeber präsentieren ihre Programme mit berechtigtem Stolz!

Martin Kinkel / Dipl.-Volkswirt und Dipl.-Kaufmann,

ist freier Fachautor und Dozent zu Finanz-, Steuer- und Versicherungsthemen.
Er ist Verfasser des Ratgebers “Job & Money für jüngere Arbeitnehmer”.